Geld oder kein Geld: Sozial ist Deutschland phantasielos. Entweder wird professionell-bezahlt geholfen oder freiwillig-unbezahlt. Schwarz-weiß. Zwischenlösungen werden meistens nicht akzeptiert.
Die Alltagshilfen, erfunden in Goslar in den Neunziger Jahren, versuchten einen Dritten Weg: Wer bedürftig ist und im Alltag Hilfe braucht, bekommt diese gegen eine Aufwandsentschädigung vermittelt. Diese Entschädigung kommt unmittelbar dem Helfer oder der Helferin zu Gute. Wer als Hilfesuchende diesen Aufwand nicht tragen kann, der erhält die Hilfe trotzdem. Der Helfer wird aus einem Fonds entschädigt, der durch Fundraising gefüllt wird.
Die Alltagshilfen, Fortsetzung der Nachbarschaftshilfe mit anderen Mitteln, werden ausschließlich freiwillig organisiert. Die Leitung sorgt für Betreuung und Weiterbildung des Helferstabes, das Vermittlungsteam dafür, dass man täglich wegen eines Hilfegesuches anrufen kann. Die Vermittlung erfolgt sofort, gestützt durch eine schmale Software.
Das Modell war schnell erfolgreich und ist es bis auf den heutigen Tag.
Wo also ist das Problem? Bei der Steuer, die Mühe hat, die Aufwandsentschädigung als solche zu akzeptieren! Bei der Agentur für Arbeit, die am liebsten jeden Pfennig anrechnet! Bei den Sicherheitsfreaks, die nicht so recht einordnen können, was das denn nun sei – Arbeit oder Freizeitbeschäftigung!
Die Verantwortlichen der Alltagshilfen mühen sich ständig, ihre Grauzone zu verteidigen.
Warum eigentlich schaffen wir es nicht, diesen Dritten Weg abzusichern und dadurch attraktiv zu machen? Die Bemühungen um Freiwilligenengagement stagnieren landläufig – wohl auch deshalb, weil Profis lange dachten, mit „Managementtechniken“ und „Personalentwicklung“ ihre Erfahrungen des Arbeitsalltages auf den Sektor der Ehrenamtlichkeit übertragen zu können. Dabei wurde schlicht übersehen, dass das zentrale Anerkenntnis-Element unserer Gesellschaft Geld ist. Geld ist ein Äquivalent der Dankbarkeit. Das mag man komisch finden – ist aber so. Geld steuert wirksam dann, wenn der Bedarf nicht durch philantropisches Engagement befriedigt werden kann.
Interessant ist, dass die Motive der Helfer und Helferinnen im Laufe der Zeit kippen. Nicht in die Entschädigung des Aufwandes steht später im Mittelpunkt, sondern die Befriedigung, die durch die Hilfeleistung entsteht.
Die Goslarer Alltagshilfen waren die ersten. Seit 1996 arbeitet sie kontinuierlich. Über 300 Helfer und Helferinnen stehen zur Verfügung, im Vermittlungsteam arbeiten bis zu zehn Freiwillige und geleitet wird die Initiative ohne Angestellte und Entgelt von Sabine Herzog. Öffentliche Mittel haben die Alltagshilfen faktisch nie angestrebt und erhalten.
Der Internetauftritt von 1996 steht noch im Netz. Für die praktische Arbeit hat er keine Bedeutung bekommen. Arbeit und Vermittlung geschehen face-to-face und telefonisch.