Arbeit: jeder sechste hat innerlich gekündigt und zwei Drittel der Deutschen erledigen ihren Job lustlos.
Kienbaum, Gallup und viele andere sind sich in ihren Untersuchungen einig: die Arbeitszufriedenheit in Deutschland ist gering ausgeprägt. Im Vergleich zu fünf anderen europäischen Ländern rangieren wir an letzter Stelle. 67% machen lediglich Dienst nach Vorschrift, 16% fühlten sich ihrem Arbeitgeber wenig verbunden.
Ein wesentlicher Grund für diese Situationen wird in den Chefs gesehen, die ihren Mitarbeitenden die nötige Achtung verweigern, nichts zutrauen und die Früchte der Arbeit für sich reklamieren. Diese Diagnose, von den Befragten selbst gestellt, verstellt vorschnell den Blick dafür, dass die Ursachen auch in den Spezifitäten der jeweiligen Organisation liegen – also eine Art „Gendefekt“ darstellen.
Bemerkenswert: Die Zufriedenheit im Öffentlichen Dienst ist am geringsten – trotz Jobgarantie, geregelter Arbeitszeit und fester Karriereverläufe. Die mangelnden Chef-Qualitäten koppeln sich hier an ausdefinierte Hierarchien. Die Hierarchen belegen ihre Bedeutung oft nicht durch messbare Leistungen, sondern durch automatische Aufstiege in Beamtenapparaten, gering abgeflachte Entscheidungspyramiden und das Pflegen von Statussymbolen: Titel, Vorzimmer, Diktierfähigkeit oder huldvolle Annahme von Kniefälligkeiten.
Eine Besonderheit unter den öffentlichen Verwaltungen sind die Verwaltungen der Kirchen bzw. deren administrativ gesteuerte Organisationsformen. Hier scheint das Zufriedenheitsdefizit noch ausgeprägter. Hierarchische Denken kreiselt ein paar Umdrehungen mehr – zelebriert als transzendental zugeschriebenes Amt. Die Absicherung dieser Positionen erfolgt durch mangelnden oder fehlenden internen Wettbewerb sowie Mitarbeiterentwicklung als Inzestvariante. Außeneinfluss wird gescheut. In diesen abgeschotteten Systemen gären Selbstbeschäftigungen besonders gut. Verglichen wird nicht mit Fremdem sondern Gleichem. Dies ist der Nährboden für Unzufriedenheit, die sich potenziert. Die zudem hohe Verweildauer auf den Arbeitsplätzen ist gepaart mit wenig entwickelten Karrieremöglichkeiten. Im Sonderfall der katholischen Kirche bleiben vor allem Frauen in den Vorräumen der Macht.
Im pastoralen, dem ideologieträchtigen Bereich gibt es kaum ausdifferenzierte Profile, die Diversifizierung und Individualisierung von Arbeitsleistungen zulassen würden. Die Idee „Egal wo, wir arbeiten alle für eine Idee.“ führt zur Zementierung dort, wo Amts- und Würdeverständnis große Mitarbeitergruppen von Karrieren ausschließen. Die spezifische, organisational gewollte Fixierung verbindet sich mit fehlender Risikobereitschaft (Arbeitgeberwechsel) und ideologischer Orientierung (Glauben) der Mitarbeitenden. Erlebt wird dies als gesteuerte Stagnation und vergiftet: Häme (Überheblichkeit mit Underdog-Gefühlen) und Zynismus (depressiver Humor mit Selbstaufgabe) prägen den Alltag, das Jammern wird Haltung.
Die von Kienbaum empfohlene Aufgaben- und Erfolgstransparenz kommt hier an eine doppelte Grenze: Erstens: fehlender Erfolg. Der ist nicht nur nicht der Name Gottes, sondern schon lange nicht mehr der der Kirchen. Zweitens: fehlende Karriere. Gestaltungseinfluss wird verhindert und damit das Erleben eigenen Erfolges gestört. Transparenz geht dann ins Leere, wenn allen alles zwar klar ist, diese Erkenntnis aber nur die eigene Ohnmacht parfümiert.
Die Antwort auf diese kirchliche Ausprägung von professionellen Bürokratien ist Öffnung. Nach innen bedeutet das Aufhebung der hierarchischen Abschottungen und inhaltliche Partizipation, nach außen: Fenster aufmachen und Abschied nehmen vom Dunst eigener Ausbildungen und Personalentwicklungssysteme.
Mit anderen Worten: Macht dort abgeben, wo sie lediglich positionell-hierarchisch und nicht inhaltlich-dynamisch begründbar ist.