Auf dem Weg zu den Pyrenäen, entlang am Mittelmeer, stranden wir in Portbou. Ahnungslos. Die Absagen der Hotelrezeptionen fast mitleidig, Abendsonne erhitzt die Mauern. Was für ein schöner Ort nahe Frankreich. Die spanische Baguette-Verkäuferin lächelt.
Auf der Straßenmauer das Schild „Monument W. Benjamin“. Nach einer kurzen Irritation die Erinnerung an Brechts Gedicht „Zum Freitod des Flüchtlings W.B.“ Kurzes Erschrecken – auch über den Zufall und die eigene Unbedarftheit.
Es ist der letzte Ort vor der französischen Grenze. Die schmale Straße schlängelt sich hoch in die zum Meer abfallenden Pyrenäen. Von oben schaut man herunter: hier Portbou in Spanien, dort Banyuls in Frankreich. Beides Grenzstationen mit überdimensionierten Bahnhöfen.
Hunderttausende Flüchtlinge müssen diesen Blick gehabt haben – nicht als Touristen, sondern als Verfolgte. Zunächst flohen die Republikaner vor den spanischen Faschisten. Später trieben die Nazis die Bedrängten vor sich her. Der deutsche Philosoph und Medientheoretiker Walter Benjamin gehörte zu ihnen.
Benjamin war schon 1933 aus Berlin emigriert und musste 1940 weiter fliehen. Obwohl schwer herzkrank, bewältigte er, von Banyuls kommend, mit der Fluchthelferin Lisa Fittko die Pyrenäen und strandete in Portbou, in der Tasche Manuskripte und das Visum für Amerika. Die Spanier verweigerten den Transit. In der Nacht vor seiner Auslieferung an die Gestapo brachte er sich um.
Hoch über dem Meer liegt malerisch der Friedhof, direkt daneben ein Erinnerungsmonument, entworfen vom israelischen Künstler Dani Karavan: eine „Passage“ hinab zum Meer. Eine Passage ins Bodenlose, beengender Treppengang, beängstigend und ohne Perspektive, nur tosendes Meer. Walter Benjamin: „Passagen sind Häuser oder Gänge, welche keine Außenseite haben – wie der Traum.“
Wenn du Deutscher bist, holt dich die Geschichte überall ein.
Zum Freitod des Flüchtlings W. B. (Bertolt Brecht)
Ich höre, dass du die Hand gegen dich erhoben hast
Dem Schlächter zuvorkommend.
Acht Jahre verbannt, den Aufstieg des Feindes beobachtend
Zuletzt an eine unüberschreitbare Grenze getrieben
Hast du, heisst es, eine überschreitbare überschritten.
Reiche stürzen. Die Bandenführer
Schreiten daher wie Staatsmänner. Die Völker
Sieht man nicht mehr unter den Rüstungen.
So liegt die Zukunft in Finsternis, und die guten Kräfte
Sind schwach. All das sahst du
Als du den quälbaren Leib zerstörtest