Was bleibt von einem Toten, dessen vergehendes Fleisch durch Europa hin- und her gekarrt wurde? Warum verehren wir Luther-Geläuterten Flagge, Holzkiste und Leichnam? Warum verneigen wir unser Haupt? Warum müssen wir lügen und lästern hinter vorgehaltener Hand?
Der Tod Helmut Kohls wirft viele Fragen auf, nicht nur die naheliegenden, selbstverständlichen, die schon beantworteten. Wie kann ein Mensch Gigant genannt werden, der klein sein Leben gestaltete? Der Söhne und Freunde verstieß, sich korrumpieren ließ und mit Ehrenworten groß tat. Wie halten wir es mit der Alltagsmoralität und Integrität – in der Familie, dem nahen Umfeld. Ist alles zulässig und erlaubt? Darf alles untergeordnet werden? Was trägt uns zu dem Irrtum, dass jemand in großen Dingen groß sein kann, auch wenn er in kleinen Dingen kleinlich ist? Was bringt uns zu dem Irrtum, man könne Riese sein selbst dann, wenn man in Wahrheit ein moralischer Zwerg ist? Wollen wir vergessen? Relativieren? Verzeihen?