Vernutzt

Früher stellte man sich an die Straße und hob den Daumen in den Wind. Heute sucht man im Netz nach einer „Mitfahrgelegenheit“. Früher boten Tauschbörsen kostenlose Dienstleistungen an. Heute werden diese via Gebühren im Netz vermittelt.

Früher tauschte man mit wagemutigen Fremden Wohnungen. Heute geht man auf „airbnb“ und zahlt. Was zunächst egalitär und kommunikativ war, ist umgewandelt worden in ein Geschäftsmodell. Aus Gemeinwohlorientierung und Lebensvereinfachung wurden durch das Internet lukrative Konzepte. Sascha Lobo spricht von Plattform-Kapitalismus und Harald Welzer beklagte auf dem letzten Deutschen Verbrauchertag die Merkantilisierung aller Bemühungen.

Diese Entwicklung ist eine Spielart der „Share economy“.

Die Lebensgestaltung durch individuellen Tausch oder kostenlose Übereignung wird profitorientiert aufgesaugt : Bücher werden nicht mehr gespendet, sondern über Netzarchive verkauft, Second-hand-Handel vernutzt auch noch die letzte tragfähige Jeans.

Der Kapitalismus ist also immer noch nicht am Ende. Er zieht aus allen Ideen Profit und verkehrt den Gemeinnutz schamlos in Eigennutz. Experten schätzen, dass die Investitionen in solche Start-ups jährlich sechs Milliarden Dollar ausmachen – mit schnell wachsender Tendenz.

Was passiert als Nächstes: die Vermarktung der Zärtlichkeit? Schon passiert.